Die «Futterkrippe» in Littau: Kirche setzt sich gegen Food Waste ein

06.01.2021

Die Pfarrei St. Theodul in Littau tut etwas gegen Food Waste: Ihre «Fut­terkrippe» gibt sechs Mal pro Woche Lebensmittel ab, deren Haltbarkeitsdatum abläuft. Willkommen sind alle.

Es ist Anfang Dezember, über Nacht ist der erste Schnee gefallen. Doch auch bei Temperaturen um den Gefrierpunkt wartet kurz vor 9 Uhr ein gutes Dutzend Leute geduldig vor der mit Lebensmitteln gefüllten Garage im Untergeschoss hinter dem katholischen Pfarrhaus Littau. Es sind mehrheitlich Frauen, die anstehen, einige kennen sich, plaudern miteinander. Maske und Sicherheitsabstand sind auch hier Pflicht, aber drängeln muss niemand. Vorrang haben Mütter mit Kindern. Es ist nicht immer alles an Lager, aber es hat für alle genug, auch für jene, die erst um 10 Uhr kommen.

Aldi-Tasche als Lohn

Dafür sorgt in erster Linie Linda Lustenberger, die zusammen mit ihrem Lebenspartner Robert Renggli und dessen Schwester Rosmarie die Wünsche der Wartenden entgegennimmt, auf eine gerechte Verteilung achtet und die Taschen füllt. Linda Lustenberger gehört zum Team der Frei­willigen, die den Betrieb der «Futterkrippe» gewährleisten. Nach einer persönlichen Krise hat die Frau hier eine Aufgabe gefunden, bei der sie richtig aufblüht.
Dass die Helfer*innen ihre «eigene Geschichte» haben und als Lohn für ihre Arbeit selber eine Aldi-Tasche mit Lebensmitteln nach Hause nehmen dürfen, ist Teil des Projektes.

Unabhängig von der Herkunft

Initiiert wurde das Projekt von Angelika Koch, die seit drei Jahren in der Diakonie der Pfarrei tätig ist. Der Dienst an den Nächsten ist ein zentrales Anliegen der Pfarrei, ganz im Sinne von Papst Franziskus. Eines seiner Hauptanliegen ist die Bewahrung der Schöpfung durch umsichtige Öko­logie und die Liebe zu den Nächsten, die Geschwisterlichkeit.
Die «Futterkrippe» gibt es seit gut einem Jahr, Angelika Koch teilt sich die Verantwortung dafür mit Res Wyler, der im Januar 2020 zur Diakonie gestossen ist. In den ersten Monaten gab es eine lose Kooperation mit dem Verein Lebensmittelretter Zen­tralschweiz, die aufgrund verschiedener Vorstellungen über das Projekt beendet wurde. Seit letztem Herbst spielt nur noch das eigene Netzwerk.
Die «Futterkrippe» tritt der Verschwendung von Lebensmitteln (Food Waste) entgegen, aber die Grundgedanken reichen weiter. Zum einen ist es die Achtung vor der Schöpfung, speziell vor der Natur und der Frucht der damit verbundenen menschlichen Ar­beit. Zum andern gilt es Not zu lindern, gerade jetzt. Zudem soll die «Futterkrippe» mithelfen, Beziehungen zu den Nächsten aufzubauen, egal welcher Religion und Kultur jemand angehört.

Symbolischer Franken

In Littau leben Menschen aus fast 100 Nationen. Unterstützung können hier viele gebrauchen, auch Schweizer*innen. «In letzter Zeit kommen immer mehr Junge», stellt Angelika Koch fest. Vielleicht eine Folge von Corona. Wer zur «Futterkrippe» kommt – täglich etwa 25 Personen –, wird nicht nach Beweggründen gefragt. «Natürlich kennen wir mittlerweile viele und wissen so von einigen Schicksalen, aber grundsätzlich ist unsere Hilfe bedingungslos», sagt Angelika Koch. Für die gelernte Pflegefachfrau, die 2021 eine vierjährige theologische Ausbildung abschliessen wird, war dieser Beruf tatsächlich eine Berufung, in der Diakonie erfahre sie diese aber noch mehr. Das Team der Diakonie hat mit Unterstützung des Kirchenrates in den letzten drei Jahren sein Angebot Schritt für Schritt erweitert, so etwa mit dem Café Zwischenhalt oder dem «Offenen Kleiderschrank», einer Art Secondhand-Shop, wo Getragenes, das noch in Ordnung ist, wieder unter die Leute gebracht wird – für einen Franken pro fünf Stück. Der symbo­lische Franken kommt auch bei der «Futterkrippe» zum Tragen: Einen Franken kostet ein voller Sack, wobei es vorkommen kann, dass jemandem die kleine Gebühr erlassen wird, weil er oder sie für den Rest der Woche nicht viel mehr zum Leben hat als diesen einen Franken.

Lebensmittel einwandfrei

Die Lebensmittel kommen hauptsächlich von Aldi. Täglich werden von Helfer*innen mit dem Kleinbus oder Privatauto rund zehn Kisten Lebensmittel abgeholt, deren Mindesthaltbarkeitsdatum näher rückt, die aber immer einwandfrei sind. Von Aldi stammen auch die Taschen, die bei der Verteilung abgegeben werden. Relativ neu hat es dank der Kooperation mit der Luzerner Bäckerei Macchi täglich Brot im Angebot, weitere Lebensmittel kommen von der Firma Fredag in Root (Convenience), der Pastinella in Oberentfelden (Pasta-Produkte) und den Kühltransporten Blättler in Littau.
Da bleibt kaum ein Wunsch offen – oder doch? Ein bisschen träumen darf man, gerade zum Jahreswechsel. Zwei, drei Bistrotischchen für noch mehr Begegnung und Austausch, das ist für das «Futterkrippe»-Team ein Wunsch für 2021.

Hans Graber

Die «Futterkrippe» ist ausser montags täglich von 9 bis 11 Uhr offen.

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Die Littauer Diakonieverantwortliche Angelika Koch (links) und Diakonie-Mitarbeiter Res Wyler (rechts) verteilen mit den Freiwilligen Robert und Rosmarie Renggli Gemüse, dessen Haltbarkeitsdatum bald abläuft. | © 2020 Roberto Conciatori

Auch Malters engagiert sich gegen Food Waste


Auch im Pfarreiheim Malters können Lebensmittel zum symbolischen Preis von einem Franken oder für einen höheren Solida­ritätsbeitrag abgeholt werden – jeweils donnerstags von 14 bis 15 Uhr. Hinter dieser Aktion steht der Verein Lebensmittelretter Zentralschweiz. Dieser ist auch in Giswil aktiv, in Planung ist laut der Prä­sidentin Daniela Kyburger ausserdem eine Abgabestelle in Schüpfheim.