Die Sorgen teilen, miteinander lachen: die Behindertenseelsorge im Film

12.02.2021

Menschen mit einer Behinderung haben die gleichen Fragen ans Leben wie solche ohne. Die Mitarbeitenden der Behindertenseelsorge hören ihnen zu und suchen mit ihnen nach Antworten. Im zweiten Film der Reihe «Kirche kommt an» geben beide Seiten Einblick in ihren Alltag.

Es kann sein, dass jemand Behindertenseelsorger Bruno Hübscher fragt: «Welchen Sinn hat es, dass ich im Rollstuhl sitze?» Hübscher kennt die Antwort nicht. Aber er spürt, dass allein sein Zuhören gut tut. Mit ihm ist da jemand, der Zeit hat, der vielleicht eine Kerze anzündet, ein Gebet spricht. «In solchen Gesprächen kann ich meine Sorgen abladen. Danach geht es mir jeweils besser», sagt eine Bewohnerin der Wohngemeinschaft Fluematt in Dagmersellen. Einer anderen, Bernadette Baumli, geht es genau so: «Es tut gut, jemanden von aussen zu haben, mit dem man reden kann», sagt die 44-jährige. Baumli lebt seit gut drei Jahren in der Fluematt und spielt eine Hauptrolle im zweiten Kurzfilm, den die Landeskirchen im Rahmen ihres 50-Jahre-Jubiläums unter dem Titel «Kirche kommt an» drehen. Der erste entstand vor einem Jahr zur kirchlichen Gassenarbeit in Luzern, danach sorgte Corona für eine Drehpause.

«Miteinander Teilen, was das Leben ausmacht»

Der neue Film gibt anhand von Besuchen in der Fluematt und in der Stiftung für Schwerbehinderte Luzern SSBL in Rathausen Einblick in einen der vielen Bereiche der Behindertenseelsorge. «Wir sind mit Menschen mit einer Behinderung spirituell unterwegs und gehen dorthin, wo ihr Leben stattfindet», sagt Yvonne Rihm. Die heilpädagogische Katechetin ist unter anderem oft in der Fluematt anzutreffen. Bruno Hübscher wiederum besucht allein etwa fünf Mal monatlich Einrichtungen der SSBL, teilt mit Bewohnerinnen und Bewohnern den Alltag, indem er sich zum Beispiel zu ihnen an den Tisch setzt. «Manche haben kaum jemanden, der sie besucht», stellt Hübscher fest, «und viele Bewohnerinnen und Bewohner erzählen uns gerne aus ihrem Leben». Für Rihm hat jeder Mensch «einen gesunden und heiligen Kern», wie sie es ausdrückt. Mit dieser spirituellen Grundhaltung «teilen wir miteinander, was das Leben lebenswert, aber auch, was es schwierig macht», sagt sie.

«Eindrückliche Erlebnisse» werden möglich

Glaubens- und Sinnfragen sprächen viele Bewohnerinnen und Bewohner von sich aus an, stellt Hübscher fest. Fragen zu Sterben und Tod vor allem, nach dem Woher und Wohin. Der Behindertenseelsorger gestaltet oft Abschiedsfeiern und Beerdigungen. Dabei ist er auch für das Personal da.

Dieses schätzt das Angebot: «Die Behindertenseelsorge hilft uns zum Beispiel, kirchliche Feiertage zu gestalten und ermöglicht so eindrückliche Erlebnisse», sagt René Petrak. Er leitet die Wohngruppe, in der Hans Georg Schwytzer, Rosmarie Bätscher und Reto Kronenberg leben, die im zweiten «Kirche kommt an»-Film mitmachen. «Die Bewohnerinnen und Bewohner schätzen die Behindertenseelsorge sehr», stellt Petrak fest. Die Möglichkeit, religiöse Themen zu besprechen oder sich einfach auszutauschen, sei gefragt. Wichtig sei zudem, dass die Frauen und Männer die Veranstaltungen selbst mit vorbereiten und gestalten könnten.

Sakramente Feiern und Bräuche pflegen

Die Behindertenseelsorge gibt es seit 47 Jahren. Sie ist zwar ein Angebot der katholischen Kirche, arbeitet aber ökumenisch. Die Präsenz in den Einrichtungen für Menschen mit einer Behinderung ist nur ein Teil der Aufgaben, und es geht dort auch nicht «nur» ums Zuhören. Die Behindertenseelsorge gestaltet zudem Erstkommunionfeiern und Firmungen, die Feiern und Bräuche im Kirchenjahr sind wichtig, es gibt Wochenenden und Ferienlager. Zum Team gehören neben Bruno Hübscher und Yvonne Rihm auch Heidi Bühlmann, Marlis Rinert und Pater Christian Lorenz, der sich vor allem um Hörbehinderte kümmert.

Dominik Thali

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Behindertenseelsorger Bruno Hübscher (im Boot) im Gespräch mit (von links) Reto Kronenberg, Rosmarie Bätscher und Hans-Georg Schwyzter, die alle in der Stiftung für Schwerbehinderte SSBL in Rathausen leben. Vorne Filmerin Antonia Meile. | © 2020 Dominik Thali